sobup.at

Arbeitszufriedenheit und -belastung standen im Mittelpunkt einer anonymisierten Studie der AK Tirol, an der mehr als 2.400 Fachkräfte in den Gesundheits- und Sozialberufen teilgenommen haben. Sie beklagen dramatische Belastungen und psychische und physische Folgen.

AK-Tirol-LogoMehr als 14.000 Beschäftigte arbeiten in Tirol als Fachkräfte in Gesundheits- und Sozialberufen und erbringen tagtäglich Höchstleistungen, wenn sie sich um das Wohlergehen der ihnen Anvertrauten bemühen.

Wie viel den Mitarbeitern tatsächlich abverlangt wird – physisch und psychisch, und wie dramatisch es um ihr eigenes Befinden steht, belegt jetzt eine aktuelle repräsentative Studie zur Arbeitszufriedenheit bzw. -belastung, die das unabhängige Forschungsinstitut SFS (Sozialökonomische Forschungsstelle) für die AK Tirol durchgeführt hat.

„Angesichts der vielfältigen Belastungen müssten bei den Verantwortlichen längst die Alarmglocken schrillen“, fordert AK Präsident Erwin Zangerl dringend nötige Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen ein. „Schließlich sind gerade diese hochqualifizierten Mitarbeiter im Dienst ganz besonders gefordert. Im Spital ebenso, wie im Pflegeheim, in einer Behinderteneinrichtung oder im ambulanten Bereich.“

Hohe Beteiligung

Wie sehr den Betroffenen die Situation selbst unter den Nägeln brennt, zeigt die Beteiligung, die mit 17,3 % beeindruckend war. Von den insgesamt 14.224 Fragebögen wurden 2.463 zurückgeschickt.

Psychische Belastung

Beunruhigend ist das Studien-Ergebnis vor allem im Hinblick auf die psychische Belastung, die auf Basis des sogenannten „Maslach Burnout Inventars“ abgefragt wurde.
„Am Ende eines Arbeitstages fühle ich mich verbraucht“
oder „Der direkte Kontakt mit Patienten bei meiner Arbeit belastet mich zu stark“ waren z. B. zwei von mehreren Vorgaben, die die Studien-Teilnehmer ankreuzen konnten, und aus denen speziell die emotionale Erschöpfung ersichtlich wurde.
Dass andere bereits unter einer sogenannten Depersonalisation leiden, die sich in Zynismus oder abwertenden Bemerkungen in Bezug auf Patienten äußern kann, zeigte sich im Ankreuzen weiterer vorgegebener Einschätzungen der persönlichen Situation, wie z. B. von „Ich fürchte, dass mich diese Arbeit gefühlsmäßig verhärtet“ oder „Ich habe ein unbehagliches Gefühl wegen der Art und Weise, wie ich manche Patienten behandelt habe“.

Laut AK Studie sind emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und reduzierte Leistungsfähigkeit bei vielen Fachkräften in den Gesundheits- und Sozialberufen ganz offensichtlich so stark ausgeprägt, dass 41 % der Teilnehmer eine beginnende oder schon fortgeschrittene Burnout-Symptomatik aufweisen. 4 % sind bereits dem klinisch auffälligen Bereich zuzuordnen.

Den Bruch zwischen Vorstellung und Realität dürften viele umso stärker empfinden, als sie ihren Beruf unter anderem auch aus sehr idealistischen Beweggründen ergriffen haben: 90,3 % gaben Interesse an und 81,1 % die Freude am Helfen neben 57,4 %, denen auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes wichtig war (bei einer Zufallsstichprobe von 1.000 Personen).

Zufriedenheit

Zur Arbeitszufriedenheit gaben mehr als 39 % an, dass sich diese in den letzten sechs Jahren sehr (12,32 %) bzw. eher (27,16 %) verschlechtert hat, z. B. durch Zeitdruck, Einsparungen, Mobbing, Dienstzeit, mehr Bürokratie, Mitarbeitermangel, Stress sowie geringen Lohn durch schlechten Kollektivvertrag.
33,16 % sahen keine Veränderung. 27,37 % sprachen von Verbesserungen, z. B. durch bessere Arbeitszeiten, neue Leitung, besseres Arbeitsklima oder andere dienstzeitliche Regelungen.

Schwerwiegendste Belastungen sind z. B.

  • Arbeitshaltung, wie häufiges Sitzen oder Stehen etc. (49,8 %),
  • schwierige Körperhaltung bzw. Bewegungsabläufe (49,2 %),
  • Heben und Tragen schwerer Lasten (44,4 %),
  • „fordernde“ Patienten (43,9 %),
  • Bürokratie (38,9 %),
  • Einsatz von zu wenig Personal (38,7 %) oder
  • Arbeiten unter großem Zeitdruck (36,6 %).

Daneben zeigt die Studie deutlich, welche positiven bzw. negativen Einflüsse für die Arbeitszufriedenheit bedeutend sind: Körperliche Zufriedenheit sowie persönliche Erfüllung und Leistungsfähigkeit, aber auch (schlechtes) Arbeitsklima, emotionale Erschöpfung, Zeitdefizite und schlechte Arbeitszeitregelung.

Interessant ist auch, dass die Befragten die Zukunft überwiegend pessimistisch sehen. 50 % rechnen mit Stagnation, 40 % befürchten weitere Verschlechterung.

Forderungen

„Diese Zahlen zeigen deutlich den akuten Handlungsbedarf“, betont AK Präsident Zangerl. „Es braucht mehr Personal und kürzere Arbeitszeiten, um den Zeitdruck für die Mitarbeiter zu entschärfen, aber auch aktive Prävention gegen Burnout und Rückenprobleme, weniger Bürokratie im Arbeitsalltag und eine professionelle Personalentwicklung in den Einrichtungen. Und vor allem muss man den Beschäftigten auch mehr Wertschätzung und Anerkennung entgegen bringen für diesen Dienst, den sie ihren Nächsten und damit uns allen erweisen!“

Details zur Studie

  • Die Studien-Teilnehmer arbeiteten als Diplomierte Gesundheits- und Krankenschwestern/-pfleger (17,8 %), Pflegehelfer (12,3 %), (zahn-)ärztliche Assistenten (9,8 %), in der Verwaltung (6,3 %), medizinischen Assistenzberufen/Sanitätshilfsdiensten (5,8 %) oder anderen Berufen (48 %), unter anderem als Hebammen, Psychologen und Sozialarbeiter.
  • 82,6 % der Befragten sind weiblich. Das Durchschnittsalter der Studien-Teilnehmer betrug 40 Jahre, 99 % wohnten in Tirol, 38 % von ihnen haben Kinder, mehr als 60 % arbeiteten bei einem privaten Dienstgeber.
  • Die durchschnittliche Arbeitszeit beträgt 31 Stunden.
  • 31 % wollen kürzer arbeiten.
  • 18,7 % nutzen eine Psychotherapie, 36,9 % Supervision und 8,4 % Coaching.

Eigene Anlaufstelle in der AK für Beschäftigte in Gesundheits- und Sozialberufen

Das Referat Gesundheit und Pflege wurde 2009 in der AK Tirol neu eingerichtet. Das Aufgabengebiet umfasst u. a. den Bereich Berufsrecht für Gesundheits- und Sozialbetreuungsberufe, daneben ist es Anlaufstelle für pflegende Angehörige und informiert zur 24-Stunden-Personenbetreuung.

Seit Beginn wurden verschiedene Veranstaltungen für pflegende Angehörige durchgeführt,  wie etwa der Tag der Pflege, der in diesem Jahr das zweite Mal stattfand, und Infoabende, wie z. B. „Pflegebedarf – was nun?“. Daneben gab es auch Veranstaltungen zu verschiedenen Themen für Mitarbeiter in Gesundheits- und Sozialbetreuungsberufen, wie etwa zur Haftungsproblematik oder zur i.v.-Medikation. 2013 veranstaltete die AK Tirol zum ersten Mal einen „Tag der Gesundheitsberufe“. Aber auch Broschüren wurden konzipiert, z. B. das neue „Pflegetagebuch“ (gemeinsam mit der Plattform Mobile Pflege Tirol) und „Pflegebedarf – was nun?“

Nahmen sich die Mitarbeiter des Referats anfangs in erster Linie der Anliegen von Seiten der pflegenden Angehörigen an, so kommen neuerdings auch immer mehr Anfragen – vor allem von Betriebsräten – zum Thema Berufsrecht, überwiegend zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und dem seit 2013 geltenden Medizinischen Assistenzberufegesetz (MAB-G).

Categories: Aktuelles