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Heute präsentierte das Gemeinschaftsprojekt der planM, des Blinden- und Sehbehindertenverbands Tirol und der Naturfreunde Innsbruck im Naturfreunde-Boulderpark ein weltweit neu entwickeltes Kletter-Leitsystem für blinde und sehbehinderte SportlerInnen. Blinde und sehbehinderte Kinder haben es bereits getestet.

Foto: Christoph Villgrattner

Die Kinder erobern die Boulderwand. Foto: Christoph Villgrattner

„Das neu entwickelte Kletter-Leitsystem ermöglicht es blinden und sehbehinderten Kletterern, sich selbstständig an der Kletterwand zu orientieren“, erklärt Entwickler Markus Plankensteiner, Geschäftsführer der planM. Mit Natursteingriffen statt Kunstplastik wird zudem das Feingefühl für verschiedene Gesteinsarten (Granit, Kalkstein, Sandstein, Gneis..) geschult.

Als Sportreferent der Naturfreunde Innsbruck konnte Markus Plankensteiner bei der Umsetzung des Projektes auf die Unterstützung des Vereins zählen. „Die Naturfreunde stehen für gelebte Solidarität, daher unterstützen wir das Leitsystem für Kletterer mit Sehbehinderung und Blindheit der Firma planM und freuen uns, dass wir uns aktiv bei der Umsetzung beteiligen dürfen“, erklärt Naturfreunde-Obmann Andreas Focke. „Mit der Entwicklung dieses Leitsystems und dem erstmaligen Einsatz in einer unserer Kletterhallen ist uns ein weiterer Schritt in diese Richtung gelungen.“

Blinde und sehbehinderte Kinder haben getestet

„Für blinde und sehbehinderte Kinder sind Gemeinschaftserlebnisse wie das gemeinsame Klettern von großer Wichtigkeit für die Entwicklung. Daher freut es uns besonders, dass wir Markus Plankensteiner bei der Entwicklung des Systems unterstützen konnten“, so BSVT-Obmann Klaus Guggenberger. Blinde und sehbehinderte Kinder testeten das System in einem Kletter-Pilotprojekt. „Die Kinder haben das System rasch begriffen und es hat sich gezeigt, dass es funktioniert“, so der Obmann weiter.

Für blinde und sehbehinderte Kinder hat die Kletterwand einen hohen Aufforderungscharakter und motiviert dazu, sich zu bewegen. „Beim Klettern kann das Kind seinen Körper intensiv wahrnehmen und so die Motorik verbessern. Das Selbstbewusstsein wird gestärkt, indem es Dinge schafft, die es sich zuvor nicht zugetraut hätte“, so Katharina Feichtner-Bramböck, Pädagogische Frühförderin des BSVT und Projektleiterin. „Das Kind wird in der Wand aber auch mit Herausforderungen oder Ängsten konfrontiert und kann so lernen mit diesen umzugehen.“ Bei blinden und sehbehinderten Kindern kommt zu den bereits genannten Herausforderungen noch hinzu, dass sie die zu greifenden Klettersteine nur schlecht oder gar nicht sehen können. Deshalb waren sie bisher immer auf die Hilfe von Erwachsenen angewiesen, die ihnen sagen, wo der nächste Griff ist. An diesem Punkt setzt nun das neu entwickelte System an und ermöglicht eine neue Form von Unabhängigkeit.

Das neue Kletter-Leitsystem

Foto: BSVT

Die Wand mit dem neuen Kletter-Leitsystem im Naturfreunde Innsbruck Boulderzentrum. Foto: BSVT

Die Besonderheit des Systems für blinde und sehbehinderte Personen: Hinter den Griffen befinden sich an der Wand signalgelbe, tropfenförmige Scheiben, in die schwarze, taktile Muster eingearbeitet sind. Anhand des jeweiligen Musters kann man ergreifen, auf welcher Route man sich befindet. Der spitz zusammenlaufende Teil der Scheibe gibt die Richtung an, in der sich der nächste Griff befindet. Der Stein ist Naturstein, was gerade in der Arbeit mit blinden und sehbehinderten Menschen die Wahrnehmung besonders schult.

Selbstbetroffener Entwickler

„Als passionierter Kletterer musste ich am eigenen Leib erfahren, wie mir meine Farbfehlsichtigkeit Grenzen im Sport aufzeigte. Das wollte ich nicht akzeptieren“, so System-Entwickler und Naturfreunde-Sportreferent Markus Plankensteiner.

Bei einer Ausbildung im Kletterbereich scheiterte er durch seine Farbfehlsichtigkeit, da er nicht schnell genug sehen konnte, welche Tritte und Griffe zu seiner Route gehörten. Daraufhin wuchs in ihm die Überzeugung, dass es für farbfehlsichtige Personen ein eigenes Klettersystem brauche. Im Laufe des Entwicklungsprozesses kam das Ziel hinzu, auch blinden SportlerInnen Zugang zum Klettern zu ermöglichen. Es kam zur Kooperation mit dem BSVT. Gemeinsam mit der Pädagogischen Frühförderung des BSVT und mit Frühförderkindern wurde das System getestet und weiterentwickelt.

Pilotprojekt

Foto: Christoph Villgrattner

Die Pädagogische Frühförderin erkundet mit den blinden und sehbehinderten Kindern das neue Leitsystem. Foto: Christoph Villgrattner

Im Oktober fand ein Pilotprojekt statt, bei dem blinde und sehbehinderte Kinder spielerisch an das System herangeführt wurden. Dabei standen das Kennenlernen der Scheiben, das Ertasten der Natursteingriffe, die Gruppenerfahrung und der Spaß an der Bewegung im Mittelpunkt des Projektes. Katharina Feichtner-Bramböck, Pädagogische Frühförderin für blinde und sehbehinderte Kinder: „Es ist wunderschön zu beobachten, dass nicht nur das kletternde Kind mit einem Strahlen im Gesicht von der Wand kommt. Auch die begleitenden Frühförderinnen freuen sich mit.“

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