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Foto: Land Tirol/Reichkendler

LRin Baur und LRin Palfrader präsentierten heute die Gewaltpräventionskampagne des Landes Tirol. Foto: Land Tirol/Reichkendler

Zuwenden statt zuschlagen, verbinden statt verletzen, die Hände reichen anstatt gegen andere zu erheben, anfreunden statt ausgrenzen und „liken“ statt „dissen“ – das sind die zentralen Botschaften der Kampagne zur Gewaltprävention des Landes Tirol. Sozial- und Frauenlandesrätin Christine Baur sowie Jugend- und Bildungslandesrätin Beate Palfrader präsentierten die Sensibilisierungsmaßnahme der Tiroler Landesregierung im Vorfeld der heutigen Enquete zur Gewaltprävention. Die Kampagne läuft bis Anfang August 2015 und richtet sich insbesondere an Kinder und Jugendliche sowie Frauen und ältere Menschen.

„Die Formen von Gewalt sind vielfältig, teilweise subtil und oft nicht sofort erkennbar. Ziel der Kampagne ist es, zu sensibilisieren, wo Gewalt beginnt und auf Alltagsformen der Gewalt hinzuweisen“, betont LRin Palfrader beim Auftakt im Landhaus. „Wir möchten sowohl auf die breit gefächerten Präventionsprogramme in diesem Bereich als auch auf Hilfsangebote für Betroffene aufmerksam machen“, ergänzt LRin Baur. Gelingen soll das mit Plakaten, einer achtseitigen Infobroschüre, Inseraten, Stickern sowie online. Dazu wurde eine eigene Homepage eingerichtet, auf der nicht nur zahlreiche Infos zum Thema, sondern auch Kurzfilme zu finden sein werden. Auf der Homepage können sich alle, die Gewalt keine Chance geben möchten, vernetzen und mit Foto eintragen.

Schule ohne Mobbing

„Kinder und Jugendliche, die körperliche und seelische Gewalt erfahren, werden oft selbst gewalttätig und richten Gewalt gegen sich und andere“, weiß LRin Palfrader, die zugleich amtsführende Landesschulratspräsidentin ist: „Gewaltprävention an unseren Schulen wird daher sehr ernst genommen. Sowohl vom Land Tirol als auch vom Landesschulrat gibt es vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten.“ Als Beispiel nennt Palfrader die SchulpsychologInnen, die tirolweit in Beratungsstellen, aber auch an den Schulen zur Verfügung stehen. „Drei weitere Schulpsychologinnen mit dem Schwerpunkt Gewaltprävention halten vor Ort Sprechstunden und sind somit direkte Anlaufstelle für Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schüler“. Da sich in Tirol viele – auch schulexterne – Anbieter etabliert haben, wurde von Seiten der Schulpsychologie im Jahr 2010 das „Netzwerk Gewaltprävention“ gegründet. Auf deren Internet-Plattform finden sich alle Angebote für Schulen.

Eine wichtige Drehscheibe für SchülerInnen, LehrerInnen und Erziehungsberechtigte ist auch die Schulsozialarbeit. Diese gibt es derzeit in Imst, Jenbach, Innsbruck, Lienz und Nußdorf-Debant. Darüber hinaus bieten BeratungslehrerInnen, vertieft ausgebildete Lehrpersonen und SchulärztInnen Unterstützung. „Zusätzlich zu Maßnahmen an Schulen fördert das Land Tirol Einrichtungen wie Familienberatungsstellen, die gewaltpräventiv tätig sind. In Einrichtungen der außerschulischen Jugendarbeit mit einer niederschwelligen Erstberatungsstelle investiert das Land Tirol jährlich rund 1,6 Millionen Euro“, informiert Palfrader. Ein besonderer Schwerpunkt liege auf der Förderung des Vereins Mannsbilder, der sowohl in der Täterarbeit als auch in der Gewaltprävention bei Burschen tätig ist.

Hilfe bei häuslicher Gewalt

Frauen und Mädchen finden in den Frauen- und Mädchenberatungsstellen in Innsbruck, Landeck, Lienz, Kufstein, St. Johann und Reutte Hilfe. Die vom Land Tirol geförderten Anlaufstellen arbeiten intensiv mit anderen Opferschutzeinrichtungen wie dem Verein „Frauen gegen Vergewaltigung“ zusammen. Außerdem stehen den Betroffenen das Frauenhaus der Initiative „Frauen helfen Frauen“ sowie das Tiroler Frauenhaus offen. Zusammen mit den zwei Krisenwohnungen in Osttirol und im Unterland gibt es derzeit 47 Plätze. Der Bau eines neuen Hauses im Großraum Innsbruck mit 16 zusätzlichen Plätzen befindet sich in Planung. „Niederschwellige und barrierefreie Schutz- und Unterstützungsangebote braucht es insbesondere für Mädchen und Frauen mit Behinderungen, die besonders oft zu Opfern werden“, weiß Baur.

Kinder vor Gewalt schützen

„Meistens sind auch die Kinder mittelbar oder unmittelbar von Gewalt betroffen“, betont Baur, die auch für die Kinder- und Jugendhilfe des Landes Tirol zuständig ist. Deren MitarbeiterInnen gehen allen Gefährdungsmeldungen nach, schätzen die Situation im Rahmen von Hausbesuchen ein und ergreifen entsprechende Maßnahmen. Der Tiroler Kinderschutz ist eine Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche, die sexuelle, körperliche und seelische Gewalt erlebt haben. Auch bei Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen ist der Tiroler Kinderschutz Ansprechpartner. Es gibt Kinderschutzzentren in Innsbruck, Wörgl, Lienz und Imst.

Gewalt in der Pflege oft Tabu

Eine weitere, besonders verletzliche Gruppe sind ältere Menschen. Gewalt an ihnen kommt nicht nur zu Hause, hinter verschlossenen Türen, sondern auch im Heim vor. Doch nicht nur Pflegebedürftige sind mit Gewalt konfrontiert, auch das Pflegepersonal ist verbaler und physischer Gewalt ausgesetzt. In beiden Fällen ist die Tiroler Heimanwaltschaft Anlaufstelle, die kostenlos und vertraulich unter anderem Beschwerden über Mängel oder Missstände entgegennimmt und bei Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen vermittelt. Das Team der Sondereinrichtung des Landes Tirol hält in allen Bezirken regelmäßig Sprechtage in den Wohn- und Pflegeheimen ab.

Maßnahmenpaket ergänzt Angebote

„Ob Kinder und Jugendliche, Frauen und Mädchen oder ältere und pflegebedürftige Menschen – alle Betroffenen finden in Tirol kompetente Beratung und Unterstützung“, betonen Baur und Palfrader. Seit Jänner 2015 ergänzt ein 200.000 Euro schweres Maßnahmenpaket die vielfältigen Gewaltpräventionsangebote. Dieses hat die Tiroler Landeregierung gemeinsam mit der Kampagne beschlossen. „14 Projekte und Einrichtungen, die auf Gewaltprävention abzielen, werden mit den Geldern unterstützt. Das Spektrum reicht von Gruppentherapien für Kinder bis hin zur Beratung für von Gewalt betroffene Mütter“, erläutert Baur.

„Gewalt lässt sich verhindern. Mit der Kampagne setzt das Land Tirol ein Zeichen gegen Gewalt. Setzen auch Sie ein Zeichen und treten Sie dem Netzwerk gegen Gewalt auf  www.gewaltfrei.tirol bei“, rufen die beiden Landesrätinnen Baur und Palfrader abschließend zum Mitmachen auf.

 www.gewaltfrei-tirol.at Infos über Beratungsstellen und Hilfseinrichtungen

 www.gewaltfrei.tirol Homepage zur Gewaltpräventionskampagne

 www.gewaltpraevention.tsn.at Informationen zum „Netzwerk Gewaltprävention“

 www.kinderschutz-tirol.at

 www.kiju-tirol.at

 www.tirol.gv.at/kinder-jugendhilfe

Die Frauenhelpline ist unter (rund um die Uhr zum Nulltarif) erreichbar.

Zahlen, Daten, Fakten

In Tirol wurden laut Tiroler Gewaltschutzzentrum im Jahr 2014 insgesamt 1.060 Personen Opfer von Gewalt, davon 917 Frauen und 143 Männer.

  • – Jede vierte bis fünfte Frau in Österreich erlebt Gewalt durch ihren Partner oder andere nahe Bezugspersonen.
  • – Etwa ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen hat bereits psychische und physische Gewalt durch Gleichaltrige erfahren.
  • – 64 Minderjährige haben im Vorjahr innerhalb der Familie oder von anderen ihnen nahestehenden Personen direkte Gewalt erfahren.
  • – 2014 wurden insgesamt 3.860 Gefährdungsabklärungen von der Kinder- und Jugendhilfe durchgeführt. 3.501 Kinder und deren Eltern erhielten Unterstützung bei der Erziehung. 1.372 Tiroler Kinder und Jugendliche fanden 2014 im Rahmen der „Vollen Erziehung“ in Stationären Einrichtungen oder bei Pflegeeltern ein kurz- oder längerfristiges Zuhause.
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