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Menschenwürde ist in der Verfassung zu verankern

Huainigg und Experten fordern: Palliativmedizin und Hospiz statt Tštung auf Verlangen

Personen: v.l.n.r.: em. Univ.-Prof. Dr. Günter Virt, Moraltheologe und ehem. Mitglied der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt sowie Mitglied der European Group of Ethics, Abg. Dr. Franz-Joseph Huainigg, ÖVP-Sprecher für Menschen mit Behinderung, und Caritas Socialis-Geschäftsführer Mag. Robert Oberndorfer MBA
Foto: Annie Marsh/ ÖVP-PK

„In Deutschland ist die unantastbare Menschenwürde in Artikel 1, Absatz 1 des Deutschen Grundgesetzes priorisiert. In Österreich verankern wir nun den Tierschutz als Staatszielbestimmung, was durchaus begrüßenswert ist. Aber wo bleibt die Menschenwürde?“, fragt sich der ÖVP-Sprecher für Menschen mit Behinderung Abg. Dr. Franz-Joseph Huainigg und fordert die Festschreibung der Menschenwürde in der österreichischen Verfassung: „Die Menschenwürde ist der Grundstein für alle Schutz- und Freiheitsrechte. Nur unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde können wir ethische Fragestellungen, besonders zu Beginn und Ende des Lebens, verantwortungsvoll diskutieren.“

Im Rahmen einer Pressekonferenz stellten Huainigg und weitere Expertinnen und Experten, namentlich Abg. a.D. Edeltraud Gatterer, em. Univ.-Prof. Dr. Günter Virt, Moraltheologe und ehem. Mitglied der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt sowie Mitglied der European Group of Ethics, und Caritas Socialis-Geschäftsführer Mag. Robert Oberndorfer MBA, klar, dass die Menschenwürde am Ende des Lebens nur durch den Ausbau von Palliativmedizin und Hospiz gewahrt werden kann. Der Wunsch nach Tötung auf Verlangen soll dadurch obsolet werden und muss in Österreich weiterhin verboten bleiben.

Edeltraud Gatterer hat als Nationalratsabgeordnete Ende der 1990er-Jahre maßgeblich an der „Recommendation 1418/1999“, einer Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, mitgeschrieben. Umgangssprachlich ist diese Empfehlung als „Gatterer-Bericht“ bekannt und verweist insbesondere in Paragraph 9 darauf, dass das Verbot der Tötung Todkranker aufrechterhalten werden muss und der Todeswunsch eines Todkranken die Herbeiführung des Todes noch nicht rechtfertigt. Darauf aufbauend wurde im parlamentarischen Gesundheitsausschuss ein Entschließungsantrag (XXI. GP, 115/E) eingebracht und am 13. Dezember 2001 mit Zustimmung aller damaligen vier Parlamentsparteien angenommen. Dieser Allparteienkonsens betreffend Beibehaltung der ablehnenden Haltung gegenüber der Aktiven Sterbehilfe, Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung sowie Verwirklichung der Karenz zur Sterbebegleitung behält bis zum heutigen Tage seine Gültigkeit. Gatterer verlange wohl nicht zu viel, wenn sie sagt: „Nach fast 15 Jahren des Europaratsbekenntnisses und des österreichischen Allparteienkonsenses sollten diese wichtigen Anliegen in der Verfassung festgeschrieben werden“.

Der em. Universitätsprofessor Dr. Günter Virt, Moraltheologe und ehemaliges Mitglied der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt sowie Mitglied der European Group of Ethics, betont ebenso die Wichtigkeit und Gültigkeit der genannten Recommendation: „Die letzte von vielen Lebensaufgaben steht jedem von uns einmal bevor: sie liegt im Sterben, das zurückliegende Leben als Ganzes anzunehmen und als Angenommenes loszulassen. Die Einstellungen zu den eigenen Freiheitsmöglichkeiten und auch zur Vollendung der eigenen Freiheitsgeschichte im Sterben sind von vielen gesellschaftlichen Einflüssen, medizinischen Rahmenbedingungen, unterschiedlichen Vorstellungen von einem menschenwürdigen Sterben und vielen anderen Faktoren mitbestimmt. Es ist wichtig, an den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für ein menschenwürdiges Leben und Sterben zu arbeiten. Dies ist mit der Empfehlung des Europarates für seine 47 Mitgliedsstaaten zum „Schutz der Menschenwürde und Menschenrechte sterbender und terminal Kranker“ modellhaft geschehen. Diese Inhalte gilt es bewusst zu machen, in den Grundrechten zu verankern und stetig weiterzuentwickeln“.

Wenn v.a. ältere Menschen gegen Ende ihres Lebens den Wunsch äußern, nicht mehr leben zu wollen, meinen sie damit häufig, SO nicht mehr leben zu wollen. Lebensqualität bis zuletzt und ein Sterben in Würde mit kompetenter Betreuung und Begleitung ist das Hauptanliegen der abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung. Eine gute Grundversorgung und spezialisierte Hospiz- und Palliativeinrichtungen müssen für alle, die sie brauchen, in Österreich flächendeckend verfügbar sein. „Der Wunsch nach Sterbehilfe schwindet, wenn Hospizphilosophie gelebt wird. Daher: Stecken wir Rahmenbedingungen in Österreich so, dass – frei nach Kardinal Franz König – niemand durch die Hand eines anderen sterben muss, sondern an seiner Hand sterben kann“, konstatiert Mag. Robert Oberndorfer, Geschäftsführer der Caritas Socialis (CS). „Neben der Forderung des allgemeinen Rechtsanspruchs auf Betreuung durch Hospiz- und Palliativeinrichtungen und der Finanzierung durch die öffentliche Hand steht der Aus-, Fort- und Weiterbildung für diesen so sensiblen Bereich besonders viel Aufmerksamkeit zu. Freiwillige und Laienhelfer/innen gehören genauso bedient wie professionelle, hauptberufliche Mediziner/innen, Psycholog/innen, Seelsorger/innen. Seitens der Hospizbewegung besteht der dringendste Handlungsbedarf momentan allerdings in der Klärung der Zuständigkeit zwischen Gesundheitsministerium, Sozialministerium und Sozialversicherungen.“

Diese Forderungen decken sich wesentlich mit den Bekenntnissen und beabsichtigten Maßnahmen der ÖVP, festgehalten in einem zweiseitigen Grundsatzpapier mit dem Titel „Palliative Care und Hospiz statt Tötung auf Verlangen“, das unter Huainiggs Federführung in intensiven Gesprächen mit vielerlei Expertinnen und Experten entstanden ist und im Rahmen der Pressekonferenz erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde. „Erste konkrete Umsetzungsschritte im Pflegefondsgesetz in Form der Regelung eines Zweckzuschusses auch für mobile Hospiz- und Palliativbetreuung konnten kürzlich gegangen werden. Diese Gesetzesinitiative hebt die Pflege und Betreuung eines Kindes mit akut lebensverkürzender Erkrankung von der Privatangelegenheit in die öffentliche Verantwortung, indem sie sowohl Einrichtungen wie dem Sterntalerhof als auch mobilen Kinderhospizdiensten wie MOMO der Caritas Wien zugutekommt. Damit ist ein erster richtungweisender Schritt getan, dem aber noch viele weitere folgen müssen“, gibt Huainigg zu bedenken. Einer der unmittelbar nächsten Unternehmungen wird sein, einen Vorschlag zur Verankerung der Menschenwürde sowie des Rechts auf Hospiz und Palliativversorgung in der Verfassung auf Basis des Österreich-Konvents von 2006 mit dem Koalitionspartner zu besprechen. „All diese Maßnahmen sind ein Bekenntnis zum Wert des menschlichen Lebens, getragen von der Anerkennung der Würde des Menschen, die jedem Einzelnen in jeder Situation und in jeder Minute seines Lebens zukommen muss!“

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