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Fachtagung im Sozialen Zentrum St. Josef als Besuchermagnet für Quelle: Soziales Zentrum St.JosefMitarbeiterInnen der Behinderten- und Altenhilfe Tirols

 

Die Tatsache, dass Menschen mit geistigen Behinderungen auch in Tirol immer älter werden, war für die Leitung des Sozialen Zentrum St. Josef Anlass, ExpertInnen aus der Alten- und Behindertenhilfe zu einem Fachdiskurs im Rahmen einer Tagung einzuladen.

 

Der ausgebuchte Vortragssaal des Sozialen Zentrum St. Josef Foto: Soziales Zentrum St. Josef

Der ausgebuchte Vortragssaal des Sozialen Zentrum St. Josef
Foto: Soziales Zentrum St. Josef

Fast ein Drittel aller Menschen mit Behinderungen, die eine oder mehrere Dienstleistungen der Behindertenhilfe in Tirol in Anspruch nehmen, befinden sich in der Altersstufe der 40-60 Jährigen. Die Leitung des Sozialen Zentrum St. Josef sieht angesichts dieser Entwicklungen und den damit verbundenen Herausforderungen in der Begleitung und Pflege dieses neuen Klientels einen außerordentlichen Handlungsbedarf Seitens des Landes Tirol als auch der Träger der Behinderten- und Altenhilfe.

Menschen mit besonderem Hilfebedarf war es in der Zeit des Nationalsozialismus durch die systematische Tötungsmaschinerie nicht möglich, ein höheres Alter zu erreichen. Heute können sich alte Menschen mit geistigen Behinderungen über eine annähernd gleich hohe Lebenserwartung wie Menschen ohne Behinderungen erfreuen und dies mit einer sehr hohen Lebensqualität, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen gegeben sind.

ExpertInnen aus den Bereichen der Geistigbehindertenpädagogik, Gerontologie und Medizin referierten im Rahmen der Tagung über Perspektiven, welche zu einem gelingenden Leben im fortgeschrittenen Alter dieser Personengruppe beitragen können.

ReferentInnen der Tagung - von links nach rechts: Matthias Walter, Sinikka Gusset-Bährer, Prof. Josef Marksteiner, Waltraud Majewski, Stefanie Werthmann, Prof. Reinhilde Stöppler Foto: Soziales Zentrum St. Josef

ReferentInnen der Tagung – von links nach rechts: Matthias Walter, Sinikka Gusset-Bährer, Prof. Josef Marksteiner, Waltraud Majewski, Stefanie Werthmann, Prof. Reinhilde Stöppler
Foto: Soziales Zentrum St. Josef

Fr. Prof. Stöppler, renommierte Expertin für Menschen mit Behinderungen der Universität Gießen, betonte den Wunsch vieler älterer Menschen mit Beeinträchtigungen, im Alter in ihrer gewohnten Umgebung verbleiben zu können. Gerade die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte spielt eine zentrale Rolle, um einem schnellen geistigen Abbau entgegenzuwirken. Menschen dieser Personengruppe haben es besonders schwer, in den „Ruhestand“ zu gehen: Die Beendigung ihrer Tätigkeit in einer Werkstätte bedeutet für viele den Verlust ihres Lebensmittelpunktes, welcher einhergeht mit dem Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. Im Unterschied zu Menschen ohne Behinderungen haben diese Menschen nur wenige Möglichkeiten, dieses Verlusterlebnis zu kompensieren. Es ist von besonderer Bedeutung, diese Menschen längerfristig auf die Pensionierung vorzubereiten, ihnen Alternativen im Ruhestand aufzuzeigen und sie in Entscheidungen die Zukunft betreffend mit einzubeziehen. „Fehlen alten Menschen mit Behinderungen entsprechende Ressourcen, so werden die auch diesen Menschen im vollen Umfang zustehenden Menschenrechte zu einem grausamen Scherz“, so die Professorin.

 

Eine besondere Herausforderung stellen Demenzerkrankungen bei Menschen mit geistiger Behinderung dar. Gerade Menschen mit Down Syndrom sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, an Alzheimer-Demenz zu erkranken. Prof. Marksteiner als Spezialist auf dem Gebiet der Demenzforschung sieht eine besondere Wichtigkeit in einem raschen Erkennen der sich entwickelnden Krankheit: „Die Erkrankung beginnt oft schon 5 Jahre bevor erste Einschränkungen im Bereich von Alltagsaktivitäten eintreten. Ein frühzeitiges Erkennen ermöglicht es, entsprechende therapeutische Maßnahmen zu treffen, welche das Fortschreiten der Demenz etwas verlangsamen kann“, so die Ansicht des Experten.

Einer der Workshops am Nachmittag Foto: Soziales Zentrum St. Josef

Einer der Workshops am Nachmittag
Foto: Soziales Zentrum St. Josef

Aus der Sicht von Matthias Walter, Leiters des Sozialen Zentrum St. Josef, ist das Land Tirol gefordert, im Rahmen der gerade gestarteten Transparenz- und Qualitätsoffensive, entsprechende Qualitätskriterien in der Betreuung von alten Menschen mit Behinderungen zu definieren. Damit verbunden ist die Notwendigkeit, entsprechende finanzielle Mittel für ausreichend Personalressourcen zur Verfügung zu stellen, welche eine angemessene und individuelle Begleitung dieses Klientels ermöglicht. Nicht zuletzt sieht Hr. Walter die dringliche Notwendigkeit einer inhaltlichen Annäherung der bisher strikt getrennten Bereiche von Alten- und Behindertenhilfe: „Mitarbeiter in der Behindertenhilfe sind gefordert, sich mit Altersthemen vermehrt auseinanderzusetzen. Gleichzeitig müssen sich Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheimen mit heilpädagogischen Themen auseinandersetzen, damit Menschen mit geistigen Behinderungen eine fachgerechte Begleitung zukommt“, so der Heimleiter. Eine besondere Aufgabe sieht er bei den Ausbildungseinrichtungen, welche umgehend entsprechende Weichenstellungen vornehmen müssen, damit eine sinnvolle Wissensvermittlung im Rahmen der Ausbildung des Betreuungs- und Pflegepersonals erfolgen kann.

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