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Sucht im Alter: ein zunehmendes Problem

Foto: Land Tirol/Reichkendler

LRin Gabriele Fischer mit den SuchtexpertInnen 1. Reihe v.li. Siegfried Weyerer, Karin Voggeneder, Daniela Jamin, Cäcilia Neubert; 2. Reihe v.li. Ekkehard Madlung-Kratzer, Martin Kurz, Christian Haring, Beate Grüner und Marion Reichert-Hutzli. Foto: Land Tirol/Reichkendler

Suchterkrankte Menschen werden dank guter medizinischer Versorgung und Substitutionsbehandlung im Schnitt immer älter und ihre Anzahl erhöht sich. Einsamkeit, Abhängigkeit in einer früheren Lebensphase oder belastete Biografien stehen oft hinter einer Suchterkrankung im Alter.

Dem Thema Sucht im höheren Alter wurde lange Zeit wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Aus diesem Grund wurde im Rahmen der 10. Tiroler Suchttagung die bisher wenig beachtete Problemstellung „Alter & Sucht“ thematisiert und diskutiert. Dabei wurden Fragen zur Versorgungsstruktur und Therapie, aber auch die Bedürfnisse von suchterkrankten Menschen in Alten- und Pflegeheimen sowie die des dort betreuenden Pflegepersonals erörtert.

Anstieg von Suchterkrankungen bei der Baby-Boom-Generation

„Die Zahl der über 65-jährigen Europäerinnen und Europäer hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts verdreifacht, die Lebenserwartung mehr als verdoppelt – damit nimmt auch die Zahl der Suchterkrankungen im höheren Alter zu. Gleichzeitig verzeichnen wir einen überproportionalen Anstieg von Suchtproblemen bei der zwischen 1946 und 1964 geborenen Baby-Boom-Generation, die nun in Pension geht. Viele davon weisen einen lockereren und weniger kritischen Umgang mit Suchtmitteln auf“, berichtet Beate Grüner, Suchtkoordinatorin Tirols und Organisatorin der 10. Tiroler Suchttagung.

Das Durchschnittsalter der DrogenkonsumentInnen liegt inzwischen teilweise bei über 40 Jahren. „Mir ist wichtig, dass eine chronische Suchterkrankung auch als das gesehen wird, was sie ist: eine chronische Erkrankung“, betont LRin Gabriele Fischer und verweist auf das Koalitionsabkommen: Dort ist eine Neustrukturierung der psychosozialen Versorgung mit einem gesamtheitlichen Ansatz der Bereiche Psychiatrie und Sucht festgeschrieben. „Das Suchtkonzept wird evaluiert und umgesetzt. Auch im Rahmen der Suchtberatung ist flächendeckende und regionale Hilfe vereinbart“. Nur langfristige Betreuung und Therapie würden den Betroffenen aus der Suchtspirale helfen, ist LRin Fischer überzeugt.

Fazit der Suchttagung: Gerade bei älteren suchterkrankten Menschen braucht es eine Versorgungsstruktur, die sowohl Pflege als auch stationäre Aufenthalte miteinbezieht. Die psychosoziale Struktur müsse auf Existenzsicherung, psychosozial aufsuchenden Strukturen sowie medizinischer und psychiatrischer Versorgung ausgerichtet sein. Im Arbeitspapier „Alter & Sucht“, das einen Bestandteil des Suchtkonzepts darstellt, wurden zusätzliche Plätze in bestehenden Strukturen für die Generation 40 Plus der suchterkrankten Menschen als Notwendigkeit identifiziert. „Diese Plätze sollen sowohl eine Übergangs- als auch Dauerwohnstruktur beinhalten“, informiert Beate Grüner.

Suchterkrankungen in Alten- und Pflegeheimen

Ein weiteres Problemfeld stellen Suchterkrankungen bei BewohnerInnen von Alten- und Pflegeheimen dar: „Erhebungen zeigen, dass der problematische Konsum vor allem von Alkohol und Medikamenten unter den Bewohnerinnen und Bewohnern zunimmt“, weiß Beate Grüner. In den Wohn- und Pflegeheimen stoßen die Pflegekräfte damit oft an ihre Grenzen. Einerseits geht der hohe Gebrauch an Psychopharmaka mit einem erhöhten Sturzrisiko einher, andererseits treten bei alkoholkranken HeimbewohnerInnen vermehrt soziale Auffälligkeiten auf. „Suchtentwicklungen im Alter sind nicht immer leicht zu erkennen, umso wichtiger ist es, die Anzeichen frühzeitig zu identifizieren und das Gespräch zu suchen“, so Beate Grüner.

„Die Therapieprognosen sind auch bei älteren Menschen gut. Die Therapie muss sich allerdings nach altersspezifischen Bedürfnissen richten“, betont LRin Fischer und verweist auf das bei der Suchttagung präsentierte Projekt „Case Management 40+“ der mudra Drogenhilfe e.V.in Nürnberg, das eine direkte KlientInnenberatung, Begleitung und aufsuchende Arbeit sowie die Vernetzung mit medizinischer Versorgung, Pflege- und Altenhilfe und die Vermittlung zu anderen Angeboten des Hilfssystems beinhaltet. „In der Umsetzung des Suchtkonzepts ist ein Ausbau dieser Maßnahmen vorgesehen“, berichtet LRin Fischer.

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